Alan N. Shapiro, Hypermodernism, Hyperreality, Posthumanism

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Von der Theorie zur Ideen, von Mike Rösgen

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Wie verändern Medien unsere persönliche Sicht auf die ideologisierte „Realität“ der Welt und inwiefern können Sie unseren Körper und Denkstrukturen verändern? Gibt es einen gemeinsamen Nenner von Ideologien, so wie die Medien es uns weißmachen wollen?

Das sind für mich keine neuen Fragen, sondern haben mich schon im Mediendesign Bachelor Studiengang beschäftigt. Ich find es aber gut, dass Alan diese Fragen anhand von Filmen und Literatur bespricht, die wie z.B. der Text über Disneyland von Jean Baudrillard an Aktualität nichts verloren haben und in Kontext zu Banksy’s „Dismaland“ gestellt werden können. Neu für mich sind allerdings die David Cronenberg Filme wie „Existenz“ oder „Videodrome“, die mit dem Baudrillard’schen Thema Simulation, Realität als Ideologie, und wie die Medien uns verändern aufwarten. Das hat mich zu Donna Haraways „Cyborg“ gebracht, in dem sie aufzeigt wie die Technik uns zum einen an eine kapitalistische, ideologisierte und weißen patrichatisierte Welt bindet und zum anderen die Chance als „Homo cyberneticus“ als transgender und multikulturelle Spezies zu leben. Donna Haraway zeigt im Gegensatz zu Paul Virillio, dem desillusionistischen, ich nenn ihn Mal vorsichtig, Nostalgiker eine womöglich positivere Zukunft auf. Die Erfindung des Flugzeugs ist zwar an die Erfindung des Flugzeugabsturzes gebunden, trotzdem muss es nicht zwangsläufig dazu kommen. Trotzdem finde ich es wichtig diese Seite der Medaille aufzuzeigen. Ich finde der Umgang mit dem Millenium-Bug hat gezeigt, wie man in einer mit Lichtgeschwindigkeit arbeitenden Welt, Probleme gemeinsam bewältigen kann. Es wirft viel eher die Frage auf, wie wird die Technik uns und unsere Denkstrukturen auch weiterhin verändern. Ich meine uns muss jetzt keine Bauchtasche wachsen, aber macht uns der Umgang mit Maschinen aufnahmefähiger und strukturierter im Denken? Oder entstehen nur noch „bösartige Probleme“ wie bei Horst Rittel? Mir sind nicht viele vorrausschauende Theoretiker wie Marshall McLuhan bekannt, der das Internet und das Verhalten von Menschen innerhalb dieses voraussah. Wie wird es weitergehen?

Nicht nur die Medien zeigen und prägen eine ideologisierte „Realität“, sondern wir sind durch die Sprache selbst geprägt. Wörter, Morphologie und Syntax gehen weiter als die reine kommunikative Funktion der Sprache. Wenn Sprache uns formt, macht sie dies nicht erst wenn wir sie verwenden. Sie ist nach Darwin Anreiz zum Lernen. Zudem transportiert sie Ideologien durch die Syntax und Anzahl der Wörter selbst und kann die Welt doch nicht beschreiben. In Japan wünscht man Anderen beispielsweise mit der Floskel „Streng Dich an“ viel Glück. Das impliziert nicht das gewollt Schicksalhafte wie im Deutschen oder im Englischen. Damit werden Ideologien weit über Ländergrenzen verbreitet, was im neuen PS4 Spiel „Metal Gear Solid 5: Phantom Pain“ eindrucksvoll thematisiert wird. Dort wird das Thema mehrfach in Form von einem Virus aufgegriffen, der sich in den Stimmbändern von Menschen einnistet und erst den Wirt tötet, wenn dieser eine bestimmte Sprache spricht wie Englisch – Ein lingualer Holocaust. Die Sniperin Quiet trägt den Virus in sich und spricht wenn überhaupt nur noch Japanisch, um sich und ihr englischsprachiges Umfeld zu schützen.

Der größte Mehrwert, den ich aus dem Seminar ziehe, ist der Zusammenhang von philosophischen Texten und Philosophen untereinander, aber auch die vielen neuen Anknüpfungspunkte, die ich durch diesen Seminarabschnitt finden konnte. Allein in der ersten Stunde hat Alan wunderbar auf die letzten großen französischen Philosophen u.a. wie Baudrillard, Foucault, Derrida und die Zusammenhänge von deutschen Philosophen wie Wittgenstein und Nietzsche und deren Nähe zu den französischen Philosophen aufgezeigt. Das Aufzeigen dieser Kontinentalphilosophie, hat bei mir doch einige Zusammenhangsfragen zwischen den philosophischen Strömungen geklärt, da ich mich gefragt habe wieso Derrida bei der Dekonstruktion sich auf Martin Heidegger bezieht, obwohl er den Impuls zu seiner Kritik an Saussure’s Zeichentheorie alleine belegen könnte. Wenn die deutsche und französische Philosophie im stetigen Austausch stehen, erklärt es dies.

In der Praxis, wie meinem Kongressbeitrag, haben mir die transdisziplinären Ansätze der Physik geholfen. Die Gestaltung als Dispositiv mit den Anschauungen der Quantenphysik, haben mir geholfen die Prozesse zwischen koexistierenden und sich ausschließenden foucault’schen Epistemen zu sehen. Die Gestaltungsprozesse selbst sind somit als analoge Mechanismen zur Quantenphysik zu sehen, die unsere physikalische Welt formen. Wie sieht die transdisziplinäre Supernova aus?

Wie könnte Creative Coding unser Leben im Umgang mit Maschinen verändern? Werden wir in einer Quantum Culture leben? Werden wir unsere Avatare oder „Second Selfs“ in den sozialen Medien technologisch durch AR weiterentwickeln? In der wie Sherry Turkle jetzt schon aufzeigt, dass die Einsamkeit steigt und die Illusion von „caring behaviour“ ausreicht? Oder Sprache in einer schnell bewertenden Gesellschaft zu viel über uns aussagt und daher jeder lieber Whatsapp Nachrichten und E-Mails verschickt, um der sozialen Isolation zu entgehen? Die Art und Weise wie wir Technologie verstehen und nutzen hat sich in den letzten Jahrzehnten von einem entfernten Punkt unseres Lebens zu einer Architektur der Intimitäten entwickelt. Ich persönlich finde es angenehmer mit Maschinen zu kommunizieren, als mich der Laune eines Bahnangestellten auszusetzen. Oder einem Angestellten bei Conrad zu erklären, wieso ich einen absolut leises 250-5V Relais brauche. Das sind unangenehme Situationen, in denen man auf gar keinen Fall Witze machen sollte. Das können einige Gründe sein, die das Paradoxon der persönlichen Kommunikationslosigkeit gegenüber unendlich vielen Kommunikationsmöglichkeiten erklären könnten.

Ich fand es sehr inspirierend nicht mehr von Theorien, sondern von Ideen zu sprechen. Die allein im Raum stehende und ungeklärte Zukunft der Theorie enthält im Gegensatz zur Idee nicht das Visionäre und Positive. Die Art und Weise der Betrachtung ändert somit auch die Herangehensweise oder die Beschäftigung mit Theorien bzw. Ideen. Ideen erfahren so eine neue Würdigung und sind nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt. Allerdings frage ich mich gerade, ob dieses Paradigma auch für Medien gilt. Ich denke nicht, dass man so von Medien reden wird oder kann, da sie selbst immer Ideologie präsentieren und nicht ohne eine Vorfilterung der „Realitäts“-vielfalt kommerziell überleben könnten. Nach Zielinski taugen sie aus diesem Grund nicht mehr zur Revolution und daher bezweifelt er auch die Revolution ohne Blutvergießen.

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