Alan N. Shapiro, Hypermodernism, Hyperreality, Posthumanism

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Wir. Medien. Ich., von Helena Leinich

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Wir. Medien. Ich.

Ich denke.

Zur Zeit gibt es keine Denker – der letzte, der übrig geblieben ist, ist ein Stalinist.

Welcher war der erste Denker?

Ist diese Frage überhaupt wichtig? Wenn man davon ausgeht, dass es keine Vergangenheit gibt und wir uns in der Modernen, Postmodernen und Hypermodernen befinden.

“Es ist die letzte Phase der großen Kultur.” (Konnellis S. 124 “Ein Gespräch” Joseph Beuys, Jannis Konnellis, Anselm Kiefer, Enzo Cucchi Hrsg: Parkett/Cantz)

Ja, es scheint überdramatisiert – so ähnlich, wie der Satz, früher wäre alles besser gewesen und es würde scheinbar nie wieder so gut sein, wie damals. Ein Raster ist zu erkennen. Ein Muster. Das sich immer wieder übereinander legt. Schicht für Schicht entsteht die Frustration. Ein Scheitern. Eine Möglichkeit nach einer Lösung zu suchen. Eine Entwicklung in Gang bringen. Sie stattfinden zu lassen. Das läge dann an uns.

Was heißt überhaupt „uns“? Jeder Teil der Gesellschaft hat auch einen Einfluss auf sie. Unwichtig ob man sich aktiv beteiligt oder nicht. Es entstehen immer Ketten von Reaktionen. Eine Kettenreaktion. Mehrere Kettenreaktionen. Es sei drum bestellt. Wir sollten nicht nach einem Muster leben, sondern etwas eigenes kreieren. Ein Kunstwerk. Das eigene Leben als Kunstwerk. (nach Paul Virilio)

„Du sprichst wiederum nur von uns. Ich vermeide peinlichst, von mir zu reden, denn ich befinde mich sowieso in einer privilegierten Situation.“ (Beuys S. 121 “Ein Gespräch” Joseph Beuys, Jannis Konnellis, Anselm Kiefer, Enzo Cucchi Hrsg: Parkett/Cantz)

Schreitet die große Kultur ihrem Ende entgegen? Gibt es dort einen Bruch? Ich könnte zum Beispiel sagen, dass ich keinen Facebook-Account habe und es mir gut damit geht. Das weiß ich aber auch nur, weil ich dort mal einen Account hatte und mich dort wieder abgemeldet habe, da mir klar wurde, dass ich dort ziellos meine Zeit verstreichen ließ. Vielleicht ist es einen Versuch wert sich nicht vor den modernen Sachen komplett zu verschließen, sondern erst zu schauen, was damit möglich ist. Vielleicht kann man Facebook auch von einer guten Seite sehen: z.B. Facebook Gruppen. Sie scheinen nützlich zu sein, um zum Beispiel Dinge regional zu (ver-)kaufen, oder einen Tandempartner zu suchen. Um noch ein Beispiel zu nennen: es gibt reichlich Illustratoren, die dort durch eine Seite in sozialen Netzwerken versuchen, ihre Peergroup zu vergrößern. Dabei entsteht aber auch die Gefahr, dass Bilder entwendet werden und für andere Zwecke verwendet werden. Da wird es kriminell. Die Möglichkeiten der sozialen Netzwerke müssen noch erforscht werden. Bisher ist es nur ein großer Spielsandkasten.

Ist Kultur in der Zeit der Reizüberflutung durch das Filtern und Reduzieren zu erkennen?

Kürzlich war ich in Essener Innenstadt in dem Laden namens „andrä“. Dort werden zum Größtenteil gebrauchte CDs, DVDs, Platten, Spiele u. ä. verkauft. Es ist quasi ein Zwischenlagerraum für Dinge, die jemand kaufte und nicht mochte, oder aus Geld- oder Platzgründen wieder verkaufen musste und den Käufern, die nicht viel Geld ausgeben wollen und kein unangenehmes Gefühl beim Kauf gebrauchter Waren verspüren. Aufgrund der begrenzten Vielfalt der, für gewöhnlich, Einzelstücke, fühlte ich mich dort wie wenige Dekaden zurückversetzt. Melancholie. Kein „Neu!“-Schild, kein „Aktionen!“-Schild, kein „Das muss raus!“-Schild. Kauf, wenn’s dir gefällt, lass es wenn du nichts gefunden hast. Kein Zwang, kein Stress. Fein nach Genres sortiert, ohne mit dem Media Markt-Hammer auf jeden einzelnen Besucher einzuschlagen, werden dort unter anderem auch ältere Filme verkauft, die für Media Markt wahrscheinlich keinen großen Erlös einbringen würden.

Ähnlich ist es mit dem Fernsehprogramm. Letztes Wochenende noch habe ich mich da ein wenig durchgezappt und musste feststellen, dass nur noch wenig von dem Programm aus meiner Jugend geblieben ist. Es laufen nicht mal Filme um 20:15. Gar keine. Es sind entweder Serien, bei den ich den Einstieg wohl oder übel verpasst habe, Reality-Sendungen oder groß aufgeplusterte Sendungen a lá „Supertalent“. Na ob alle sich nun auf Netflix und Co. rumtummeln. Lohnt es sich nicht mehr Filme in den Privaten Sendern zu zeigen. Das kann sein.

„Neues zu produzieren ist immer auf die eine oder auf die andere Art mit einem Rückzug verbunden, sei dieser nun auf das soziale Umfeld oder das bestehende formale Konventionen bezogen; angesichts der Dominanz sozialer Netzwerke mit ihren endlosen Möglichkeiten zu Mikrotakten und einer Flut von YouTube-Links im Cyberspace jedoch wird ein solcher Rückzug schwieriger den je.“ (Mark Fischer „Gespenster meines Lebens“ Edition Tiamat S. 27)

Auf YouTube wird mir erklärt, wie ich mir die Augen zu schminken habe und was es im Drogeriemarkt essenziel zu kaufen gilt. Ich wusste bis dato gar nicht, dass ich diese Dinge brauchen würde. Die junge Dame auf dem Bildschirm preist die Konsumgüter aber so herrlich an, die schaue ich mir bei dm nächstes mal genauer an, oder? Nein, eher nicht. Aber ich habe gerade 15:07 Minuten meiner Zeit damit zugebracht, mir das Haul-Video dieser jungen Dame anzuschauen und hatte wohl noch Spaß dabei.

„Die alten Konsum-, Vertriebs- und Handelsmuster lösen sich auf, das physische Objekt tritt hinter den Download zurück, Platten- und CD-Läden schließen, Cover-Art verschwindet“ (Mark Fischer „Gespenster meines Lebens“ Edition Tiamat S. 27)

Wir leben in einer Zeit des Recyclings. Dies beziehe ich nicht auf die Mülltrennung, die anscheinend eh nicht bei allen Gemeinden so recht funktioniert, sondern auf die Kultur. Größtenteils auf die Popkultur. Dort gibt es nur noch wenig Neues zu entdecken. Eventuell ist es nur meine eigene Meinung. Eventuell. Schauen wir mal bei Spotify rein. Unmengen von Musik, Playlisten zugeschnitten auf den jeweiligen User. Die Maschine weiß, was mir gefällt, oder zu gefallen hat. Nun gut. Spotfy ist bequem. Ich kann mir Lieder aus einer Unzahl von Alben auswählen und sie überall hören. Ich komme gar nicht dazu sie zu vermissen.

Vielleicht ist es am Ende des Tages genau das? Ich vermisse nichts. Zeit fehlt mir, alles andere kann ich im Überfluss mit Filmen, Serien und Musik unterstreichen. Es entsteht eine analoge Leere. Wobei die Vielfalt an digitalen Waren wächst. Qualität außen vor. Ich vergesse schneller als ich aufnehmen kann, trotz „Likes“ und vielen Möglichkeiten sich im Internet (z. B. Cloud) Archive und Merkzettel zu erstellen, vergesse ich, dass ich diese Merkzettel habe. Ich kann nach ihnen nicht greifen, also spüre ich sie nicht.

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