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Orientation, von Anja Vögerl

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“Orientation”

“Orientation” ist die dritte Folge der zweiten Staffel der US TV-Sendung “LOST”. Die Episode wurde am 5. Oktober 2005 zum ersten Mal im amerikanischen Fernsehen ausgestrahlt und ist ein wichtiger Teil der gesamten zweiten Staffel, da sie nicht nur entscheidende Informationen enthält, sondern auch den (noch) unterschwelligen Konflikt zwischen Jack und Locke weiter anheizt. Die Episode enthält zwei verschiedene Handlungsstränge, die auf verschiedenen Seiten der Insel stattfinden, sowie John Locke´s Flashback. In diesem Aufsatz soll zuerst der Inhalt der Folge wiedergegeben, danach der Konflikt zwischen Jack und Locke, der sich hier durch einen Konflikt zwischen Glaube und Wissenschaft ausdrückt, näher untersucht und schließlich noch auf Symbole und wiederkehrende Elemente eingegangen werden.

Auf der anderen Seite der Insel

Zum einen wird erzählt, wie es mit Jin, Michael und Sawyer weitergeht, die am Ende der ersten Staffel ein Floß gebaut haben, um von der Insel zu kommen, was jedoch gescheitert ist. Die drei werden zurück an den Strand der Insel gespült und  von den vermeintlichen „Anderen“ gefangen genommen. Zusammen werden sie in eine Grube geworfen. Auf die Frage, wo Walt, Michael´s Sohn sei, bekommen sie keine Antwort. Sie versuchen zwar, sich aus ihrem Gefängnis zu befreien, scheitern jedoch. Daraufhin wird eine bewusstlose Frau in die Grube geworfen. Als sie aufwacht gibt sie vor, Ana Lucia zu heißen und ebenfalls eine Überlebende des Flugs 815 zu sein. Daraufhin zeigt Sawyer ihr seine Waffe. Das Blatt wendet sich jedoch, als Ana Lucia ihm diese geschickt abnimmt und aus dem Gefängnis geholt wird. Hier wird dem Zuschauer klar, dass Ana Lucia zu der Gruppe gehört, die Michael, Sawyer und Jin gefangen hält. Später in Staffel 2 erfährt man, diese vermeintlichen „Anderen“ jedoch tatsächlich ebenfalls Überlebende des Flugzeugabsturzes sind.

In der Station

Viel wichtiger ist aber, wie die Situation in der Luke weitergeht. Nachdem sie deren Eingang in die Luft gesprengt haben, finden sich Jack, Locke und Kate in unterschiedlichen Situationen unter der Erde wieder. Kate, die erst von Desmond Hume gefangen und gefesselt worden war, hat einen Weg gefunden, sich zu befreien und versucht, auch ihren Freunden zu helfen. Locke wird inzwischen von Desmond bedroht und ein Gewehr vor den Körper gehalten. Desmond droht ihn zu erschießen, falls Jack näher kommt, da er alle drei als Bedrohung ansieht. Jack fragt Locke, ob er das gemeint hat, als er von „Schicksal“ sprach.

Kate findet inzwischen ein Gewehr, schleicht sich von hinten an Desmond heran und schlägt ihn mit der Waffe. Dabei löst sich aus dessen Waffe ein Schuss, der den Computer trifft. Desmond wird von Panik ergriffen („Wir werden alle draufgehen“), während die anderen drei das Problem erst nicht begreifen. Desmond versucht Jack davon zu überzeugen, ihn loszulassen, damit er den Computer reparieren kann. Er befiehlt ihm auf den Zähler an der Wand zu sehen und behauptet, dass die Welt untergeht, wenn nicht alle 108 Minuten ein bestimmter Code in den Computer eingegeben wird. Dabei stellt Desmond fest, dass ihm Jack´s Gesicht bekannt vorkommt, er weiß aber noch nicht woher. Auch Locke sieht dies. Jack lässt Desmond los, der sich sofort auf den Computer stürzt um ihn zu reparieren.

Kate geht los um Sayid zu holen, der Desmond helfen soll. Jack will jedoch weiterhin wissen, was eigentlich los sei und fragt Desmond wie er auf die Insel gekommen sei. Dieser erzählt seine Geschichte, die Jack ihm aber nicht glaubt. Desmond sagt, sie sollen einfach „den Film“ gucken. In einer Konversation zwischen Locke und Jack, während sie den Filmprojektor aufbauen, werden die unterschiedlichen Ansichten, die beide haben, klar. Locke will wissen, warum Jack so aufgeregt ist, und fragt ihn, ob der Grund dafür ist, dass Desmond ihn wieder erkannt hat. Im Film mit Namen „Orientation“ sieht man eine ominöse Dharma Initiative, die die Station als Station 3 – den „Schwan“ bezeichnet und das widergibt, was Desmond auch schon gesagt hatte. Desweiteren wird von einem „Vorfall“gesprochen , durch den das Eingeben des Codes notwendig wurde. Jack und Locke sind beide gleichermaßen verwirrt über den Film.

Jack frägt weiterhin Desmond aus, da er die Geschichte immer noch nicht glauben kann. Er fragt ihn, ob er eigentlich selber daran glaubt oder ob er alles nur für ein Experiment hält. Dieser verweist ihn auf den Elektromagnetismus in der Station. Als er feststellt, dass er den Computer nicht reparieren kann, verlässt er voller Panik die Station. Auch Jack verlässt immer noch ungläubig den „Schwan“ und lässt Locke dort allein zurück, der nicht weiß was er tun soll.

Desmond läuft so schnell er kann über die Insel, als er von Jack gestoppt wird. Er sagt ihm den Code für den Computer: 4 8 15 16 23 42. Jack erwidert, dass er nicht an die Rettung der Welt durch den Computer glaubt. Da fällt Desmond ein, woher er Jack kennt und erinnert Jack schmerzlich an seine Vergangenheit. Desmond läuft weiter.

Sayid schafft es inzwischen tatsächlich, den Computer zu reparieren und Locke gibt unwissentlich einen falschen Code ein. Hurley will ihn stoppen, weil er glaubt, die Zahlen seien verflucht. Jack kommt jedoch zurück und macht Locke auf den Fehler aufmerksam, der aber skeptisch ist und Jack dazu nötigt, die Taste selbst zu drücken. Dieser zögert jedoch. Locke sagt, er wolle und könne es nicht allein schaffen, woraufhin Jack im letzten Moment die Taste drückt.

Flashback: Locke´s Vergangenheit

Im Flashback sieht man Locke in einer Selbsthilfegruppe, wo er erzählt, dass sein Vater sich erst bei ihm eingeschmeichelt, ihm dann eine Niere „gestohlen“ und ihn links liegen gelassen hat. Er wird sehr wütend über die „kleinen“ Probleme der restlichen Gruppe und verhöhnt sie regelrecht. Nach der Sitzung kommt eine der Teilnehmerinnen, Helen, auf ihn zu und dankt ihm für seinen Wutausbruch. Man kann erkennen, dass sich die beiden mögen. Locke verlässt nach einer gemeinsamen Nacht mit ihr ihre Wohnung um vor das Haus seines Vaters zu fahren und dort zu warten. Man sieht seinen Vater in das Auto steigen, der Locke sagt, er solle nicht mehr kommen, da er ihm auf die Nerven gehe. Locke hingegen möchte einfach nur wissen, wieso sein Vater ihm das angetan hat, der ihm die traurige Wahrheit sagt, nämlich, dass John ihm egal und mehr noch, sogar lästig ist. Das bricht Locke das Herz.

Daraufhin sieht man Helen und John in einem Restaurant, wo Helen Locke einen Schlüssel für ihre Wohnung gibt mit der Bedingung, nicht mehr zum Haus seines Vaters zu fahren. Sie sagt, sie wolle ihm helfen und er willigt schließlich ein.

Im nächsten Flashback verlässt Locke wieder Helen´s Haus um seinen Vater zu besuchen, als diese ihm wütend nachfährt, weil er sein Versprechen gebrochen hat. Sie wirft seinen Schlüssel über den Zaun und sagt, er solle sich zwischen ihr und seinem Vater entscheiden. Locke sagt, er könne das nicht, woraufhin Helen sagt, er müsse nicht allein sein. John nimmt schließlich ihre Hand als Zeichen dafür, dass er sich für sie entscheidet.

Der Konflikt

Im Laufe der gesamten Folge wird ein zentraler Konflikt thematisiert, nämlich der zwischen Glaube und Wissenschaft, ausgeführt durch Locke und Jack. Während Locke fest daran glaubt, dass die Aufgabe in der Station seine Bestimmung ist und nicht daran zweifelt, dass das, was Desmond sagt, der Wahrheit entspricht, ist Jack fest davon überzeugt, dass das alles nicht real sein kann, da es keinen logischen Sinn ergibt.

John Locke´s Leben wird vor allem dadurch geprägt, dass ihm verschiedene Menschen immer wieder sagen, er sei etwas Besonderes, er aber nie herausgefunden hat, wieso, und – im Gegenteil – immer wieder enttäuscht, verraten und abgegeben wird. Im Flashback von „Orientation“ sieht man ihn zusammen mit Helen, die die erste Person zu sein scheint, die ihn aufrichtig liebt. Sie weist ihn dazu an, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und bietet ihm ihre Hilfe an. Parallel lässt John auch auf der Insel seine Vergangenheit zurück und Jack in der Station um Hilfe beim Drücken der Taste. Er sieht darin sein Schicksal, glaubt, es sei ihm vorherbestimmt diese Arbeit auszuführen. Er glaubt, endlich seine Bestimmung gefunden zu haben, aber er hat auch Angst, ihr zu folgen, weswegen er Jack´s Hilfe braucht.

Anders ist es bei Jack. Als Arzt übt er einen wissenschaftlichen Beruf aus und wird oft mit dem Tod konfrontiert. Deswegen fällt es ihm bedeutend schwerer als Locke an Wunder oder Schicksal, oder an überhaupt irgendetwas zu glauben. Er zweifelt deshalb auch Desmond´s Geschichte an und findet die Idee, dass man durch einen Knopfdruck die Welt retten kann, absurd. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass er Desmond in der Station wiedertrifft. Sogar Jack selbst ist über dieses Wiedertreffen sehr erstaunt, kann dies aber nicht vor Locke zugeben, da er sonst auch einen Teil seiner wissenschaftlichen Logik einbüßen müsste. Dennoch denke ich, dass es dieses Wiedererkennen von Desmond war, was Jack am Ende der Folge dazu veranlasst, doch auf die Taste zu drücken und sich somit auf den Glauben an das Schicksal einzulassen.

Dieser Konflikt zwischen Jack und Locke zieht sich durch die gesamte Serie. Jack als rationaler Mensch möchte die Insel verlassen und in sein altes Leben zurückkehren, wohingegen Locke, der an das Schicksal, oder zumindest an „die Insel“ glaubt, auf der Insel bleiben möchte, da er sie als seine Bestimmung ansieht. Der Konflikt wird zwar hier noch nicht vollkommen offen ausgetragen, dies ändert sich jedoch im Laufe der Staffel.

Symbole / wiederkehrende Elemente

Ein zentrales Symbol, das immer wieder im Laufe der Serie und auch in dieser Episode vorkommt, sind die Zahlen 4, 8, 15, 16, 23, 42. Sie sind der Code, den Desmond in den Computer eingeben muss. Summiert man außerdem diese Zahlen ergibt sich daraus die Summe 108, die Anzahl der Minuten, die man bis zum nächsten Eingeben des Codes in der Station hat.

Ein weiteres Symbol sind die Farben Schwarz und Weiß, die vor allem auffällig im Dharma-Logo und auf dem Zähler sind. Im Verlaufe der Serie wird deutlich, dass diese beiden Farben für Gut und Böse stehen.

Ebenso wird in der Episode eine bemerkenswerte Verknüpfung erwähnt, nämlich die zwischen Desmond und Jack. Dies ist nur eines von vielen Beispielen, das zeigt, dass sich viele der Menschen auf der Insel schon vor dem Absturz begegnet sind.

In Locke´s Flashback sieht man den Konflikt mit seinem Vater, der ihn nicht als Sohn annimmt und ihn nicht einmal in seinem Leben haben möchte. Auch diese Konfliktsituation mit Familienmitgliedern, und besonders mit dem Vater, ist eine Gemeinsamkeit der Abgestürzten, was bei genauerer Betrachtung der jeweiligen Flashbacks klar wird.

Ausblick

Ich denke, dass Konflikt zwischen Glaube und Wissenschaft in unserer Welt sehr relevant ist. In unserer aufgeklärten Gesellschaft wird viel mit Wissenschaft gearbeitet und erklärt. Dennoch gibt es immer wieder Phänomene, bei denen die Wissenschaft an ihre Grenzen gerät und die unerklärbar sind. Hier kommt der Glaube ins Spiel. Sowohl Locke, als auch Jack haben in ihrem Leben schon Wunder erlebt. Jack hat seine Patientin Sarah geheilt, was eine scheinbar unmögliche Sache gewesen ist, und Locke hat nicht nur einen Sturz aus einem Hochhaus überlebt, sondern kann sogar wieder laufen, seitdem er auf der Insel ist. Dies sind Dinge, die man mit Wissenschaft nicht erklären kann. Der Gläubige, Locke, nimmt diese Dinge an und bezeichnet sie als sein Schicksal. Der Ungläubige, Jack, muss erst noch ein weiteres Wunder erleben, nämlich das, Desmond wieder zu sehen. Am Ende der Folge scheint es jedoch so, dass der Glaube über die Wissenschaft siegt, da Jack die Taste drückt und somit sein logisches Denken bezüglich der Station aufgibt, oder zumindest für eine Weile beiseite schiebt.

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